Think inside the Box!

Machine Learning (ML), vor allem durch Verwendung künstlicher neuronaler Netze (KNNs), ermöglicht es Maschinen, aus Daten zu lernen, genau wie wir durch Erfahrung lernen. Dadurch werden sie schlauer und können Aufgaben schneller und besser erledigen, ohne dass wir ihnen alles erklären müssen. Es ist so, als hätten wir einen cleveren Helfer, der sich ständig verbessert, indem er übt.

Die Funktionsweise von KNNs orientiert sich am Vorbild biologischer neuronaler Netze im Gehirn. Das besondere an KNNs ist, dass es Modelle sind, die theoretisch beliebige Zusammenhänge zwischen Eingabe- und Ausgabedaten lernen können, z. B. ob auf einem Bild ein Elefant oder eine Maus zu sehen ist. Dabei lernt das Modell aus den Eingabedaten bestimmte Merkmale zu erkennen: „Es ist grau.”, „Es hat vier Beine.”, „Es hat einen Rüssel.” und kann basierend auf diesen eine Entscheidung treffen.

Wir haben den Durchblick

Bei KNNs ist uns oft nicht bewusst, welche Merkmale genau gelernt wurden und worauf die endgültige Entscheidung basiert. KNNs wirken auf uns meistens wie eine schwarze Box, in die wir nicht hineinsehen können. Daher beschäftigen sich viele Wissenschaftler*innen damit, die Vorgänge innerhalb von KNNs zu erklären und uns einen Blick in die „Black Box“ – wie in unserem Exponat – zu ermöglichen.

Wie bei uns Menschen auch, lernen ML-Modelle aus Erfahrungen. Im Kontext von ML sind das die Informationen und Daten, welche ihnen zur Verfügung gestellt werden. Die Qualität und Menge an Daten sind einer der wichtigsten
Faktoren für qualitativ hochwertige ML-Modelle. Man sagt auch, dass ML- Modelle nur so gut sein können, wie die ihnen zur Verfügung gestellten Daten.

Machine Learning, KNNs und Simulationen

ML-Modelle wie KNNs werden in der Simulationswissenschaft intensiv verwendet. Simulationen sind ein wichtiger Bestandteil in vielen Bereichen der Forschung. Wir können damit bestimmte Eigenschaften der realen Welt abbilden, z. B. verschiedene physikalische Prozesse. Die Eigenschaften von Simulationen können wir beliebig verändern und dadurch untersuchen, wie sich die echte Welt verhalten würde, wenn diese Eigenschaften dort auch auftreten würden.

Simulationen werden z. B. auch dafür genutzt, um Aussagen darüber zu treffen, welche Effekte der Klimawandel auf das Wetter haben könnte. Simulationen sind oft sehr rechenintensiv, da sie komplexe physikalische Prozesse berechnen und viele Daten generieren.

ML-Modelle helfen uns dabei, große Datenmengen – wie sie bei Simulationen entstehen – zu analysieren. Gleichzeitig können wir die Daten von Simulationen verwenden, um ML-Modelle beizubringen, sich wie Simulationen zu verhalten. Also eine Simulation der Simulation. Diese sogenannten Ersatzmodelle ersetzen einige der rechenintensiven Schritte der ursprünglichen Simulation und können diese enorm beschleunigen. Dadurch können wiederum deutlich mehr Simulationen durchgeführt und noch mehr Daten generiert werden. Diese wiederum werden analysiert und dienen der Entwicklung weiterer Ersatzmodelle – ein wichtiger Kreislauf aus Simulationen und Daten, der die Forschung vorantreibt.

 

Physik trifft KI

Wir setzen in unserer Forschung Machine Learning intensiv für Simulationen ein, um verschiedenste physikalische Prozesse zu untersuchen. Dabei werden die Modelle oft nicht nur auf die Daten optimiert, sie müssen auch physikalische Gesetze einhalten, die direkt in die Modelle integriert werden können. Eine Klasse solcher Modelle werden Physics-Informed Neural Networks genannt.

Im Folgenden stellen wir drei Anwendungen vor, in welchen wir Machine Learning für Simulationen genutzt haben.

Materialentwicklung mit maschinellem Lernen: Stabilität neuartiger Quantum-Bits

Um Quantencomputer zu betreiben, werden Qubits benötigt, die Informationen dauerhaft speichern können. Das kann durch molekulare Magnete (Abb. 1) erfolgen: einzelne Moleküle, die wie ein Stabmagnet wirken. Die Quanteninformation wird dabei durch die Richtung des magnetischen Feldes codiert. Eine Gruppe von Physiker*innen, Chemiker*innen und Mathematiker*innen in SimTech ist es gelungen, zu simulieren, wie stabil diese Quanteninformation gespeichert werden kann.

Maschinelle Lernverfahren mussten dabei so angepasst werden, dass sie physikalische Grundlagen erfüllen. Da solches Lernen aufwendig und ungenau ist, entwickelte die Gruppe neuronale Netze, die diese bekannten physikalischen Eigenschaften von vornherein erfüllen. Damit simulieren sie, wie sich die Magnetisierung molekularer Magnete ändert, wenn sich das Molekül bei hoher Temperatur bewegt und ob dabei Informationen verloren gehen können.

Echtzeitvorhersage von Stürmen und Niederschlägen

Die Vorhersage von Wetterereignissen wie Regen und Stürmen basiert auf komplexen mathematischen Modellen, die die physikalischen Eigenschaften der Umwelt und Luftströme beschreiben. Ein typisches Beispiel ist die Vorhersage von Wirbelstürmen, unter aktuellen Wind-, Temperatur-, Druck- und Radarmessungen. Diese Modelle erfordern zeitaufwendige Berechnungen auf teuren und energiehungrigen Supercomputern. 

Um effizientere Vorhersagemodelle zu entwickeln, arbeiten Forscher*innen bei SimTech an Methoden des maschinellen Lernens. Durch Training neuronaler Netze mit historischen Daten können sie in Echtzeit schnellere Vorhersagen generieren. Diese sogenannten Ersatzmodelle können komplexe Berechnungsmethoden ersetzen. Um sie noch genauer und stabiler zu machen, arbeiten Forscher*innen bei SimTech daran, physikalische Gesetze in solche Ersatzmodelle zu integrieren.

Können maschinelle Lernverfahren auch Physik? Vorhersage von Wellenphänomenen mit Physics-Informed Neural Networks

Strömungen spielen eine zentrale Rolle in vielen Anwendungsbereichen, von Schadstoffverbreitung im Grundwasser bis zur Tsunami-Vorhersage. Herkömmliche numerische Simulationen sind präzise, aber langsam und rechenintensiv. In zeitkritischen Krisensituationen ist der Tsunami längst da, bevor die Vorhersage berechnet wurde. Hier helfen maschinelle Lernverfahren, die zwar viel Vorlauf für das Training benötigen, dann jedoch extrem schnell Vorhersagen liefern können. Indem man dem Lernverfahren Physik beibringt, können physikalisch sinnvolle Ergebnisse erzielt werden – selbst in komplexen Szenarien.

In einem einfachen Beispiel haben wir ein ML-Modell verwendet, um eine Welle zu simulieren, die sich über eine Sandbank ausbreitet.Wir können aber auch für komplexere Szenarien mit unserem ML-Modell innerhalb weniger Millisekunden ein Ergebnis liefern, wofür klassische Simulationen viele Sekunden oder Minuten benötigen würden. Hierzu haben wir ein künstliches neuronales Netz um Wissen über physikalisch korrektes Verhalten erweitert. Dieses Wissen ermöglicht physikalisch sinnvolle Vorhersagen auch lange in die Zukunft.

Dadurch haben wir gezeigt, wie neuronale Netze schnell und präzise Vorhersagen liefern können, ohne kostspielige, umfangreiche Trainingsdaten aus Simulationen zu benötigen. Dies beschleunigt die Vorhersage von Wellenphänomenen erheblich und ist besonders in zeitkritischen Situationen von großer Bedeutung.

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